Auf der Wiesn kann man durch fünf Loopings rasen oder sich auf eine „Fahrt zur Hölle“ begeben – es geht aber auch gemütlicher. Wir haben uns deshalb die traditionsreichsten Fahrgeschäfte und sonstigen Vergnügungsmöglichkeiten genauer angesehen. Eine Auswahl.
Ein Besuch auf dem Oktoberfest kann eine Zeitreise sein – zurück in die Vergangenheit des bekanntesten Volksfestes der Welt. Man glaubt es nämlich kaum: Von den rund 150 Wurfbuden, Karussellen, Kettenfliegern und sonstigen Fahrgeschäften haben etwa 90 Prozent ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert. Einige von ihnen sind Teil der Oidn Wiesn, der historischen Version des Oktoberfests, andere haben seit Jahrzehnten ihren festen Platz in den Schaustellerstraßen.
1958 brachten die Münchner Schausteller Anton Bausch und Eugen Distel, stets auf der Suche nach Innovationen, dieses Karussell auf die Wiesn. Ein Modetanz aus der Karibik inspirierte nicht nur bei der Namensgebung, sondern auch die raffinierte Konstruktion. Mit dem typischen 50er-Jahre-Design und seiner rasanten Fahrt mit unberechenbaren Richtungswechseln wurde das Calypso schnell zum Liebling der Wiesngäste. Das Modell, das heute auf der Oidn Wiesn seine Runden dreht, stammt aus dem Jahr 1962.
Standort: Oide Wiesn
Kraftmesser haben Volksfestfans schon immer fasziniert. Erste Belege gibt es aus Frankreich um 1820/40. Auf den Jahrmärkten der ganzen Welt gibt es seitdem viele Möglichkeiten, seine Heb-, Zug-, Stemm-, Watsch-, Handdruck- oder Lungenkraft unter Beweis zu stellen. Wer auf dem Münchner Oktoberfest wissen will, wie es um seine Kräfte steht, kann dies bei der „Dicken Berta“ mit ihrer 30 Kilogramm schweren Kanone herausfinden. Benannt ist sie nach einem Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg, das für seine Größe und Durchschlagskraft bekannt war. Die Münchner Dicke Berta funktioniert folgendermaßen: Auf einem Gleis gleitet durch Stoßkraft eine schwere Kanone nach oben bis zum Anschlag. Kommt sie oben an, wird durch eine Zündkapsel ein Knall erzeugt.
Standort: Oide Wiesn
Die Krinoline gehörte zu den ersten Fahrgeschäften auf dem Oktoberfest und war sofort eine Attraktion. Als das Karussell 1925 zum ersten Mal in München seine Runden drehte, wurde es sogar noch mit Muskelkraft betrieben. Um 1937 wurden dann Zugspitzbahnen als Neuheit zur gefährlichen Konkurrenz der gemütlichen Krinoline. Der damalige Eigentümer Michael Großmann musste sich etwas einfallen lassen, um die Krinoline zukunftsfähig zu machen: Er modernisierte das Fahrgeschäft mittels elektrischem Antrieb mit Planetengetriebe und Zugfedern-Schwing-Mechanismus. Als zusätzlichen Clou engagierte er eine Blaskapelle, die die Fahrt mit Stimmungsmusik begleitete. Diese Tradition wird zur Freude aller Krinoline-Fans von Großmanns Urenkel Matthias Niederländer bis heute weitergeführt.
Standort: Straße C, Nr. 7
Die „Illusionsschaukel“ kam bereits Ende des 19. Jahrhunderts aus Amerika nach Deutschland. Bei dieser verblüffenden Täuschung wird der Gleichgewichtssinn gestört, indem der Raum von außen um die Schaukelachse gedreht wird. Die Fahrgäste glauben deshalb, einen Überschlag zu machen. Nur wenige Exemplare der Hexenschaukel haben sich bis heute auf Jahrmärkten gehalten. Wer sich traut, kann sich auch auf dem Oktoberfest in eine setzen. Für viele Einheimische ist sie ein Muss bei einem Wiesnbesuch.
Standort: Schaustellerstraße 23
Eine nostalgische Kostbarkeit mit Spaßgarantie ist die Berg- und Talbahn „Fahrt ins Paradies“. Mit stolzen 40km/h geht es über vier Hügel und ab ins Tal. „Rundfahrgeschäfte“ ist der Fachausdruck für diese Art von Bahnen, die als „Switchbacks“ wahrscheinlich in England in den 1880er-Jahren erfunden wurden. Die Münchner Bahn mit ihren aufwändigen Malereien und grazilen Figuren wurde im Jahr 1939 in der renommierten Karussellfabrik Friedrich Heyn in Thüringen gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg entsprach sie offenbar nicht mehr dem Zeitgeist und war ab den 1950er-Jahren eingelagert. Sie überdauerte im Originalzustand, wurde im Jahr 2003 restauriert und bringt heute wieder Oktoberfestfans von der Oidn Wiesn auf direktem Weg ins Paradies.
Standort: Oide Wiesn
Sie ziehen kleine Kutschen, drehen Karussells oder schießen Bälle in Tore: Flohzirkusse gehörten früher zum Standardprogramm auf Jahrmärkten: 1948 schlug der Flohzirkus von Familie Mathes, einer alten Nürnberger Schausteller-Dynastie, zum ersten Mal auf dem Oktoberfest seine Zelte auf und ist bis heute geblieben.
Standort: Straße 1, Nr. 20
1871 pries Michael August Schichtl, Besitzer des „Original-Zauber-Spezialitäten-Theaters“, seine „Extra-Galavorstellung mit noch nie dagewesenen Sensationen“ mit den Worten „Auf geht's beim Schichtl“ an. Im legendären Wiesn-Varieté, das dem staunenden Publikum seit 1869 Zauberei, Puppenspiel, Kuriositäten und vieles mehr bot, wird auch heute noch die „Enthauptung einer lebendigen Person mittels Guillotine“ zelebriert. Seit Jahren leitet Manfred Schauer, selbst ein Münchner Original, das Varieté. Wie er in seiner Parade zur Musik der Blues Brothers die Schichtl-Truppe vor jeder Vorstellung fetzig präsentiert, wie er mit frechen Sprüchen das Publikum fesselt und mit subtilem bis derben Humor das Tagesgeschehen kommentiert, ist nicht nur für Oktoberfest-Nostalgiker auf jeden Fall sehenswert.
Standort: Schaustellerstraße 50
Die Vorgänger der Riesenräder, die Russischen Schaukeln, sind schon seit dem 17. Jahrhundert beliebte Volksfestattraktionen. Auf dem Oktoberfest gibt es seit 1925 ein Russenrad mit einer kunstvollen alten Konzertorgel. Bis um 1960 galt es mit zwölf Gondeln und einer Höhe von 14 Metern als das größte transportable Riesenrad Süddeutschlands. Es steht übrigens nicht nur auf dem Oktoberfest, sondern auch auf der Auer Dult. Erst ab 1960 wurden dann die heutigen großen Riesenräder aus Stahl entwickelt, die auch transportiert werden können. Das Münchner Oktoberfest-Riesenrad aus dem Jahr 1979 ermöglicht mit 50 Metern Höhe einen beeindruckenden Blick über die Theresienwiese und die ganze Stadt.
Standort: Schaustellerstraße 38 (Russenrad)
Standort: Straße 5, Nr. 2 (Riesenrad)
Schon Karl Valentin und Liesl Karlstadt haben sich auf der Wiesn in „Feldl's Teufelsrad“ amüsiert, das heute nur noch auf dem Oktoberfest aufgebaut wird. Auf einer Scheibe, die sich immer schneller dreht, können Kinder und Erwachsene mitfahren. Wer am längsten sitzen bleibt, gewinnt. Die Stimmung steht und fällt mit dem Moderator oder „Rekommandeur“, der das Publikum animiert und die „Mitwirkenden“ teils etwas derb, aber auch immer bayerisch-charmant kommentiert. Auf sein Kommando, zum Beispiel „Es fahren alle Kinder zwischen 8 und 14 Jahren!” oder „Alle Männer zwischen 20 und 25 in Lederhose!”, laufen die mutigsten Mitglieder der jeweiligen Zielgruppe zur Scheibe und setzen sich. Die besten Plätze befinden sich – so die Gesetze der Fliehkraft – in der Mitte. Dann setzt sich die Scheibe in Bewegung, erst langsam, dann immer schneller. Ein Fahrgast nach dem anderen rutscht dann von der Scheibe. Wer sich zu lange oben hält, wird mit einem Lassowurf oder einem großen Ball, der an einem Seil hängt, mehr oder weniger sanft zum Aussteigen gebracht.
Standort: Schaustellerstraße 3
Zu den ältesten Fahrgeschäften auf der Wiesn zählt der Kettenflieger Kalb, der 1919 gebaut wurde. Das Fluggeschäft trägt eine Originalbemalung der Dekorationsteile durch den bekannten Schaustellermaler Konrad Ochs und ist auch heute noch in Familienbesitz.
Standort: Oide Wiesn
Auf dem Oktoberfest 1908 standen sogar noch drei der Turmrutschbahnen zum Vergnügen der Zuschauer wie der Rutschenden bereit: Die Turmauffahrt der nicht immer nüchternen Kunden mittels Förderband entbehrte nicht der Komik, die sanfte Rutschfahrt machte Spaß. Dem ist noch heute so auf der Wiesn. Der Toboggan ist dazu noch einmalig in Deutschland, denn für die Reise ist dieses Traditionsgeschäft nicht mehr rentabel. „Toboggan“ stammt übrigens aus der Sprache der kanadischen Algonkin-Indianer und bezeichnet einen leichten Schneeschlitten.
Standort: Matthias-Pschorr-Straße 59